Hab mal kurz durchgeblättert – Eine Glosse über 1 Kilo und 300 Gramm Papier
312 Seiten umfasst die Chronik über Burgholzhausen, die in der zweiten Oktoberhälfte endlich in den Verkauf gegangen ist. Bereits seit der Präsentation des ersten gedruckten Exemplars während des Festwochenendes im Juni durch Bürgermeister Lars Keitel, haben nicht nur interessierte Burgholzhäuser immer wieder danach gefragt, sondern auch die Inserenten der Anzeigen. Über den Inhalt wurde vorab viel spekuliert und diskutiert. Einiges ist nicht so ideal gelaufen wie geplant, angefangen von unterschiedlichen Verständnissen von Festschriften und Chroniken bei Organisatoren und Durchführenden. Unmut fand auch die Auswahl der Druckerei, die schließlich den Zuschlag und Druckauftrag bekam.
Die Schrift ist eine Veröffentlichung des Friedrichsdorfer Stadtarchivs und als solche musste es eine offizielle Ausschreibung geben. Das offizielle Verfahren für externe Auftragsvergaben ist hinreichend bekannt. Wie und warum es jedoch im Vorhinein zu unterschiedlichen Erwartungen kam, können nur die Organisatoren des Fests und bei der Stadtverwaltung erklären. Letztendlich war es erst einmal der schlechten Verklebung des schweren Lesestoffs zu verdanken, dass die Chronik nicht unmittelbar zum Fest in den Verkauf ging. Was danach monatelang vorging und dazu führte, dass mindestens seit Juli das Werk nicht zum Verkauf stand, ist auch nur mit Spekulationen zu erklären. Gut hätte es der Schrift getan, die verstrichene Zeit für ein Lektorat oder Korrektorat zu nutzen, doch die Chance ist verpasst. Möglicherweise hatte irgendwann der Bürgermeister genug davon und gab den Verkauf inzwischen still und leise frei! Wo ein Inserent ist, muss schließlich auch ein bezahltes Inserat publiziert werden, damit Geld fließt. Von einer Buchvorstellung ist längst nicht mehr die Rede. Die Kommunikation zur Veröffentlichung fand nur durch einen Artikel in der Taunuszeitung am 19. Oktober 2023 statt. Nicht mal eine offizielle Pressemitteilung ist die Chronik zur 800jährigen Geschichte von Burgholzhausen der Stadt Friedrichsdorf bisher wert, sehr bedauerlich. Der Bürger und die Bürgerin fühlen sich einfach nicht mitgenommen.
Chronik ab sofort zu erhalten
Erwerben können Sie die Chronik – die, und das ist ernstgemeint, durchaus lesenswert ist und viele interessante Themen für Burgholzhausen aufarbeitet und mit Fotos veranschaulicht – für 15 Euro in der Stadtverwaltung, die seit 16. Oktober 2023 nur noch vormittags geöffnet hat und im Stadtarchiv in Burgholzhausen, deren Öffnungszeiten nicht wirklich bekannt sind. Auf der Internetseite der Stadt Friedrichsdorf findet sich dort immer noch der Hinweis „Achtung – zur Eindämmung der Corona-Krise bleibt das Stadtarchiv vorerst geschlossen.“
Zum Inhalt mit ungewöhnlichen Erkenntnissen
Ja, hab mal kurz durchgeblättert, wirklich lesen muss ich den dicken Schinken erst noch, der „im Auftrag des Magistrats der Stadt Friedrichdorf“ herausgegeben wurde. Man beachte die Schreibweise des Stadtnamens auf der 4. Umschlagsseite. Genau das sind leider die Aufhänger, die den gemeinen Leser vielleicht nicht das Vertrauen in den Inhalt geben, den diese anschauliche Chronik verdient.
Viele Sujets des neuen Buchs beinhalten eine Zusammenstellung von bisher erschienenen Artikeln aus den Friedrichsdorfer Schriften zu historischen Themen aus Holzhausen und stellt damit einzigartig einen Großteil der bewahrten Dorfgeschichte in einem Gesamtdokument zusammen. Aktuell ergänzt durch Themen aus den 1950er bis in die 2000er Jahre. Die Bilder laden zum Schmökern ein und lassen schöne Erinnerungen und viele Aha-Momente aufleben. Wünschenswert wäre jedoch eine Ergänzung und Überleitung von den alten Friedrichsdorfer Schriften zum aktuellen Zeitgeschehen gewesen. Ein unbedarfter Leser macht sich wohl auf der Suche nach dem alten Gebäude der Bornmühle, das „heute noch vorhanden ist“ und findet enttäuscht ein Neubauviertel vor. Dabei wäre es durchaus erwähnenswert, dass eins der neuen Gebäude dem alten Getreidespeicher in Form und Höhe nachempfunden wurde. Vielleicht hätte eine Erklärung zum Grenzstein am Erlenbach an der Bornmühle der ein oder andere Leser für interessant befunden. Kleinigkeiten, die jedoch den Bezug zum Jetzt gezogen hätten. Auch zu der anderen Mühle, die mal Gondolfmühle, mal Seemühle oder mal den Namen Leinmühle trug, sei zu erwähnen, dass der besagte Herr Pippert längst nicht mehr unter den Lebenden weilt und sich die Gewächshäuser seit Jahren einen früher nie gekannten Leerstand erfreuen.
Wären da an mancher Stelle in der Chronik nur die auffälligen Rechtschreibfehler, besonders auch in Eigennamen wie bei Ottilie Vögtle direkt in drei Varianten in einem Absatz, oder bei dem Kolonialwarenladenbetreiber Volter, dessen Geschäft quasi zur „Folter“-kammer wurde, wäre es mit einem Augenzwinkern zu nehmen. Doch manches scheint mit rascher Nadel gestrickt zu sein, ist das Jubiläum ja durchaus nach über 800 Jahren überraschend in Burgholzhausen eingetreten. Aus dem Schuster Herwig wurde doch glatt der Schuster Langer. Den alten Herwig hätte es gefreut, wenn sein Schwiegersohn nach seinem Tod doch noch die Leisten in der immer noch erhaltenen Schusterei genagelt hätte. Auch beim alten Amtshaus ist etwas der Sonntag runter. Das wiederum muss man nicht unbedingt thematisieren, aber mit einer passenden Bildunterschrift könnte man durchaus darauf hinweisen, dass die Fotoaufnahme durchaus länger als 30 Jahre her und geschichtsträchtig ist. Dass der Freiherr von Reigersberg eine Schreibweise in vier Varianten im Vor- und auch im Zunamen gefunden hat, ist für die Holzhäuser nebensächlich und nicht relevant, zumal er eine historische Person aus dem 17. Jahrhundert über Burgholzhausen hinaus darstellt, der durchaus mal Reigersberger als auch von Reigersberg benannt wurde, allerdings immer ohne den Buchstaben „n“.
Fauxpas bei vielen Namen
Mit den Namen hapert es an vielen Stellen. Mal gibt es eine Haingrabengasse, die sicherlich nicht auf einen alten Straßennamen zurückgeht. Selbst der letzte amtierende Bürgermeister von Burgholzhausen Dietmar Gritzka hatte schon bei der Ausstellung „50 Jahre Stadt Friedrichsdorf“ einen dicken Dreher im Namen auf der Infotafel. Dies wiederholt sich in der Chronik bei der Auflistung der Planungskommission direkt neben dem Burgholzhäuser Wappen. Immerhin ist sein Name unter seinem Foto richtig. Das war aber sicherlich nicht der Grund, warum die Stadtverordneten 1972 zielsicher das neue „Wappen beschossen“ haben, anstatt es in einer Sitzung einfach zu beschließen.
Ich grüble ja immer noch darüber, ob der älteste Fußballplatz nicht hinter der Burgstraße war, anstatt auf dem alten Milupa-Gelände. Einige ältere Holzhäuser berichten noch davon. So ist es mit der Vergangenheit, manches weiß man nur noch lückenhaft. Erinnerungen sind häufig keine belegbaren historischen Fakten. Wie war das mit der Gründung vom Schützenverein 1954 Burgholzhausen e.V., der laut Kapitelüberschrift schon achtzehnhundertebbes gegründet wurde? Tja, so eine Vereinsgründung kann sich durchaus mal hinziehen. Fakt ist hingegen, dass die Burgholzhäuser Weihnacht, die es laut der Chronik seit 2008 gibt, sich in diesem Jahr zum 30. Mal jährt. Lasst uns einmal gemeinsam nachrechnen!
Wie man darauf kam, dass der junge Holzhäuser Bildhauer August Haag schon 1906 seinen bekannten Brunnenjungen schuf und dazu noch einen „Jungen mit wasserspeienden Fischen“, kam jedenfalls nicht aus der Feder der Unterzeichnerin, die nur zwei Fotos zum Haag-Lebenslauf beigesteuert und alles andere aus der Ferne betrachtet hat. Denn die weiß durchaus, dass es sich bei beidem um ein und dasselbe Werk handelt, von dem allerdings tatsächlich mehrere Anfertigungen erhalten sind. Andere Quellenangaben in der Chronik erscheinen korrekter und sorgfältiger zitiert, vor allem zu den historisch belegten Fakten.
…und ein HR-Reporter, den wir (fast) alle kennen
Schmunzeln musste ich, als ich den “HR-Reporter am Stand des TV 1893“ erkannte. Gell, Friedhelm, da hast du bestimmt ein Interview über das über die Holzhäuser Grenzen hinaus bekannte Steinstoßen gegeben?
Der einleitende Absatz der Herausgeberin, dass die Chronik ja doch gerade noch rechtzeitig zum Festwochenende fertig geworden ist nach unzähligen langen Arbeitstagen, entringt dem Leser durch den extrem verspäteten Verkaufsstart von vier Monaten nach dem Festwochenende nur ein müdes Lächeln. Dabei ist die Arbeit, die das Team des Stadtarchivs um Frau Dr. Erika Dittrich, Robert Hübner Morgado zusammen mit Journalistin Olivera Gligoric-Fürer und anderen Beteiligten aus Burgholzhausen in dieses Dokument gesteckt hat, durchaus ernsthaft zu würdigen und Respekt zu zollen!
Doch die Krönung dieser Lokalgeschichte ist die Bildunterschrift unter der Urkunde, aus der das Jubiläum begründet ist. Lest es selbst!
Die Erkenntnis daraus: Leute, wir sind einfach viel zu früh mit dem Feiern dran! Nach neuesten Erkenntnissen ist das 800jährige Dorfjubiläum weder 2021 noch 2022 gewesen, sondern findet erst 2821 statt! Zeit genug, bis dahin eine sorgfältig redigierte Überarbeitung der Chronik zu liefern?
Fazit und neue Chance bei der Burgholzhausen-Ausstellung?
Trotz allem befürworte ich den Kauf der schwergewichtigen Chronik. Nobody is perfect und Fehler sind menschlich, vor allem in solch einer umfänglichen Aufarbeitung einer Ortsgeschichte. Viel Wissenswertes und Spannendes über das alte Holzhausen ist zu finden und zu entdecken. Es ist und bleibt die lokale Geschichte, die auch die dunklen Momente unverschleiert einschließt. Ich werde mir die Zeit nehmen, die wirklichen Inhalte in den nächsten Wochen und Monaten zu erkunden.
Das Team vom Stadtarchiv kann sie ja vielleicht demnächst in der Burgholzhausen-Ausstellung im Heimatmuseum in Seulberg aufarbeiten, die nach den Sommerferien bis Weihnachten stattfinden sollte. Das Jahr? Oh, über das wurde wohl nicht abschließend gesprochen. Mit der Zeitrechnung haben wir es bekanntlich ohnehin nicht so in Burgholzhausen. Aber die Ausstellung soll jetzt im November aufgebaut werden, nach aktuellen Informationen steht das erste Objekt seit gestern. Aber bitte, kein erneuter Schnellschuss! Das haben weder die Holzhäuser Geschichte noch die Burgholzhäuser verdient, besonders nicht, wenn ein Jubiläumsjahr gefeiert wird. Und das geht noch bis zum 31. Dezember 2023.
Susanne Noster