Burgholzhausen-info/ November 10, 2022

Was der Palmengarten, Schneewittchen und Burgholzhausen gemein haben: einen Künstler namens August Haag

Ein Löwe wird 100. Stiften Sie eine Rose als Zeichen der Solidarität und für den Frieden.

An wen denkt ihr, wenn ihr in Burgholzhausen den Familiennamen Haag hört? An erster Stelle fällt euch hier sicherlich Reiner Haag ein, Imker, langjähriges Ortsbeiratsmitglied und Ortsgerichtsvorsteher. Doch er steht in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu einem anderen Menschen mit dem gleichen Nachnamen, wie er auf Anfrage bestätigte. Der andere, August Haag, mag vielen Burgholzhäusern kein Begriff mehr sein. Kein Wunder, denn er verstarb bereits im Februar 1933 in Frankfurt mit 48 Jahren. Dennoch hat sich der gebürtige Holzhäuser, geboren am 17.8.1885, einen Namen in der Kunstwelt gemacht. Seine Laufbahn begann er an der Frankfurter Kunstgewerbeschule, um danach an dem Vorläufer der Akademie der Künste in Berlin bei dem namhaften Bildhauer Peter Breuer als Schüler weitere Erfahrung zu sammeln. Später verschlug es ihn zurück ins Rhein-Main-Gebiet, wo er im Atelier von Augusti Varnesi als Bildhauer arbeitete, bis er an einem Krebsleiden verstarb. Ob heute noch Nachfahren in der Nähe ansässig sind, ist der Verfasserin nicht bekannt.

Brunnenfigur

August Haag erschuf die Bronzefigur des Jungen mit wasserspeienden Fischen. Sie ziert immer noch das Eingangsschauhaus des Frankfurter Palmengartens.

Obwohl er vor über 90 Jahren verstorben ist, finden Sie noch heute Werke des Bildhauers August Haag in öffentlichen Anlagen in Frankfurt, u.a. auf dem Frankfurter Hauptfriedhof (u.a. Grabmal von Wilhelm Steinhausen, Eduard von Mayer, Bohnert oder des Dichters Alfons Paquet). Sollten Sie mal in den Palmengarten kommen, halten Sie Ausschau nach dem Puttobrünnchen im Eingangsschauhaus, einer Bronzefigur mit dem Titel „Junge mit Wasser und speienden Fischen“. Erschaffer? Der Holzhäuser Haag. 1987 wurde die Figur restauriert und wieder aufgestellt. In der Taunusanlage findet sich ein weiteres Werk des Holzhäuser Künstlers, das Schneewittchen-Denkmal. Namhafte Personen der Zeitgeschichte, die sich ins Goldene Buch der Stadt Frankfurt eintragen, wissen auch nicht, dass neben Varnesi auch ein Holzhäuser an der Gestaltung mitgewirkt hat: August Haag. Erhalten sind auch einige Akt-Zeichnungen aus seiner Feder.

Haags Werk für Holzhausen: ein Löwe wird 100 Jahre

Ja, August Haag war noch ein echter Holzhäuser, denn erst Mitte 1939 wurde der Dorfname in Burgholzhausen geändert. Er durfte sich auch hier künstlerisch verewigen, doch sein Schaffenswerk steht nicht mehr exponiert an der ursprünglichen Stelle, sondern ist umgezogen. Es handelt sich um den schlafenden Löwen, der heute am Fuß des Ehrenmaldenkmals auf dem Alten Friedhof ruht und an die Gefallenen der beiden Weltkriege erinnert. 100 Jahre ist es her, seitdem Haag diese Löwen-Skulptur erschuf.

Schlafender Löwe integriert in das Ehrenmal in Burgholzhausen

Wie kam es dazu?

1922 wurden sieben Gräber für in die Heimat überführte Gefallene oder im Lazarett verstorbene Burgholzhäuser Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg auf dem damals noch evangelischen Friedhof errichtet. Ein weiteres Grab erinnerte auf dem katholischen Friedhof an einen Gefallenen. Die Holzhäuser haben Geld gesammelt, um die Grabmäler zu finanzieren. Ein Friedberger Steinmetz fertigte sie damals an. Heute sind nur noch fünf Gräber vorhanden.

sieben Grabmäler

Sieben Gräber waren es ursprünglich 1922. Vier Jahre später zerstörten Vandalen an Buß- und Bettag Gräber auf dem damals noch evangelischen Friedhof. Auch drei Ehrenmäler wurden vernichtet.

Zeitgleich wurde eine schlichte Gedenktafel aus hellem Kunststein am (Alten) Rathaus in einer Feierstunde am 3. Juli 1922 angebracht. Über der Inschrift „Es fielen im Kampf fürs Vaterland aus unserer Gemeinde 1914 – 1918“ ruhte ein schlafender Löwe, den der Bildhauer August Haag schuf. Darunter folgten die Namen der Kriegsopfer. Viele Nachkommen findet man heute noch in Burgholzhausen.

Gedenktafel mit Löwe umrahmt von grünen Girlanden

Das Ehrenmal zum Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkrieges stand ursprünglich am heutigen Alten Rathaus, geschaffen vom Holzhäuser Bildhauer August Haag.

Nach den Unterlagen des evangelischen Kirchenarchivs litt der Kunststein des Ehrenmals im Laufe der Jahre durch die Umwelteinflüsse stark. Am 20. November 1960, dem Totensonntag, wurde ein neues Ehrenmal für die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege unter großer Beteiligung der Bevölkerung eingeweiht, jetzt auf dem Friedhof in Alt Burgholzhausen nahe des Bahnhofs. Haags Löwe wurde restauriert und in die neue Anlage auf dem Friedhof integriert. Die Steintafel mit den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs wurde durch eine neu gestaltete Bronzetafel ersetzt. Der damalige Bürgermeister Wilhelm Henritzi hielt die Ansprache zur Einweihung.

Gedenktafel mit Namen und einem schlafenden Löwen aus Stein

Der Löwe ist inzwischen leicht verwittert, doch ruht er immer noch unter den Namen der gefallenen Holzhäuser Männer aus dem 1. Weltkrieg.

Eine persönliche Einladung und Anmerkung

Legen Sie eine Rose als Zeichen der Solidarität und für den Frieden nieder!

Am Volkstrauertag erinnern Gedenkveranstaltungen in jedem Jahr in ganz Deutschland an die Ereignisse der beiden Weltkriege. Meist sind inzwischen fast nur politisch engagierte Mitbürger der Burgholzhäuser vertreten und legen zusammen mit dem Magistrat der Stadt Friedrichsdorf einen Kranz zum Gedenken nieder. In diesem besonderen Jahr 2022 haben wir alle erfahren, was Krieg bedeutet. Die Ereignisse in der Ukraine und ihre Auswirkungen auf die ganze Welt sind uns allen sehr bewusst und spürbar. Vielleicht ist die zentrale Gedenkveranstaltung der Stadt Friedrichsdorf, die in diesem Jahr turnusmäßig in Burgholzhausen stattfindet, eine Gelegenheit Anteilnahme und Solidarität zu zeigen. Rosafarbene Rose mit WassertropfenZeigen Sie Präsenz, auch wenn es nur bei der Kranzniederlegung ist. Legen Sie am Wochenende als Zeichen der Solidarität und für den Frieden in der Welt selbst eine Blume am Ehrenmal nieder. So wie es die Holzhäuser früher getan haben.

Die Gedenkfeier beginnt am Sonntag, 13.11.22, um 14.00 Uhr in der Trauerhalle am Friedhof in der Rodheimer Straße. Im Anschluss findet die Kranzniederlegung am Ehrendenkmal statt. Dort, wo August Haags 100-jähriger Löwe schläft. Der vergessene Holzhäuser Künstler am Holzhäuser Ehrenmal der oft vergessenen Burgholzhäuser Opfer der schrecklichen Kriege. Ihre Mahnung sollte unvergessen bleiben. (SN)

Schlafender Löwe integriert in das Ehrenmal in Burgholzhausen

Der 100-jährige Löwe des Burgholzhäuser Bildhauers August Haag.

Zur Symbolik des Löwen

Warum wurde ausgerechnet ein Löwe als Symbol des Ehrenmals gewählt? Burgholzhausen ist mit diesem Symbol längst nicht allein, Löwen wiederholen sich in vielen Städten auf den Gedenkstätten. Auf der Webseite der Stadt Bilstein im Sauerland bin ich mit einer ausführlichen Erklärung fündig geworden:

„Irgendwie hat man sich an den Anblick gewöhnt: Auf einem Denkmal steht entweder eine berühmte Persönlichkeit oder ein Löwe. Bei den großen Persönlichkeiten liegt der Grund auf der Hand – aber wieso immer wieder ein Löwe? Die Denkmalforscher haben hier eine interessante Erklärung parat:

Mit der Wahl eines Löwen als Sinnbild werde unterschwellig Bezug auf eine religiöse Symbolik genommen. Bis ins 2. Jahrhundert geht die theologische Tradition zurück, die vier Evangelistensymbole auch auf Christus zu beziehen, der bei der Geburt ein Mensch, im Sterben ein Opfertier, im Auferstehen ein Löwe und bei der Himmelfahrt ein Adler war.
Mit den Ausnahmen der nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen Gedächtnisstellen, belegen sowohl Adler wie auch Löwendenkmal die „Heroisierung“, d.h. die Tendenz zur Verherrlichung des Soldatenberufes und bestimmter Tugenden einschließlich des „verselbständigten“ (d.h. auch militärisch sinnlosen) Todesmutes. Die Gefallenen wurden also nicht als Opfer betrachtet, sondern im Gegenteil als Helden glorifiziert. Man sprach bis zum 2. Weltkrieg auch nicht von einem Ehrenmal sondern von einem Kriegerdenkmal oder einer Heldengedenkstätte. Je nach Ereignis, an das erinnert werden sollte, wurde z.B. bei Siegen ein stehender Löwe oder bei Niederlagen und hohen Verlusten ein liegender Löwe dargestellt.

Letzterer sollte dabei immer den Eindruck vermitteln, dass er sich für ein höheres Ziel nach schwerem Kampf heldenmutig geopfert hat. Die Symbolik der Auferstehung soll gleichzeitig vermitteln, dass dieses Opfer nicht sinnlos war.“

Inschrift "Wir Toten mahnen" auf einer Steinwand

Aktueller denn je erscheint derzeit die Inschrift auf dem Ehrenmal in Burgholzhausen

 

Quellen: Wikipedia, Aufsatz von Marianne Peilstöcker über die Burgholzhäuser Friedhöfe (2000), Informationen des Kulturamtes der Stadt Frankfurt, Internetseite der Stadt Bilstein zum Ehrenmal